Aydan Özoguz
SPD-Vizeparteivorsitzende Aydan Özoguz: "Viele Migrantinnten und Migranten fühlten sich bislang nicht wirklich willkommen und haben nur auf solch ein Entgegenkommen gewartet" (Bild: dpa)

Anfang der Woche lud die Bundesregierung zum Jugendintegrationsgipfel ein. Der Dialog sei wichtig findet Aydan Özoguz, fordert aber von der Bundesregierung auch konkrete Maßnahmen. Jetzt gehe es um die Umsetzung.


Bereits zum dritten Mal lud die Bundeskanzlerin zum Jugendintegrationsgipfel ins Kanzleramt. In verschiedenen Workshops sollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer darüber diskutieren, was jeder einzelne leisten kann, um Integration zu erleichtern.

Im Interview mit spd.de erklärt die stellvertretende SPD-Parteivorsitzende Aydan Özoguz, wie wichtig eine einladende Integrationspolitik ist und was die Bundesregierung in Zukunft konkret tun kann.

spd.de: Aydan, wie wichtig ist ein Jugendintegrationsgipfel? Haben wir wirklich noch ein Erkenntnisproblem, oder eher ein Umsetzungsproblem?


Aydan Özoguz: Grundsätzlich finde ich es gut, wenn man junge Menschen ins Kanzleramt einlädt, um mit ihnen über Herausforderungen der Zukunft zu sprechen. Ich glaube allerdings, dass der Titel „Jugendintegrationsgipfel“ nicht mehr ganz zeitgemäß ist. Die heutigen Jugendlichen sind bereits mit dem Thema Integration aufgewachsen. Sie sehen sich in Zukunft eher anderen Problemen gegenüber, zum Beispiel hoher Jugendarbeitslosigkeit in Europa, oder dem demografischen Wandel. Da würde ich mir wünschen, dass man den Blick noch mehr in auf  Zukunftsthemen richtet. Interessant und erfreulich finde ich, dass die Jugendlichen beim diesjährigen Gipfel viele Anträge der SPD bestätigt haben und auch konkret einfordern, z.B. die doppelte Staatsbürgerschaft oder eine weniger restriktive Asylpolitik mit Lockerung der Residenzpflicht.
Ob die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, ihr beim Gipfel gemachtes Versprechen, die Umsetzung der Vorschläge voranzutreiben, ernsthaft umsetzen kann, möchte ich bezweifeln.

 

Die Jugendlichen auf dem Gipfel arbeiten in verschiedenen Workshops. Einer davon beschäftigt sich mit dem Thema „Bildung und Integration“. Werden hier die richtigen Akzente gesetzt?


Diese Gruppe gab es auch schon bei den beiden vergangenen Gipfeln.  Die Jugendlichen haben dabei stets gute Ergebnisse hervorgebracht . Beispielsweise wurde die hohe Abbrecherquote als Problem erkannt was ja auch unabhängig vom Migrationshintergrund gilt. Betrachtet man die Abbrecher genauer, wird schnell deutlich, dass soziale Hintergründe eine viel größere Rolle spielen als die Herkunft. Die Frage ist also, wie man Schule und Elternhäuser in die Lage versetzt jedes Kind optimal fördern zu können. Das hat dann mit individueller Förderung, kleinen Klassen und den Möglichkeiten zu einem guten Abschluss zu gelangen zu tun – und am Ende immer auch mit finanziellen Ressourcen.

 

Und was ist die Antwort der SPD?


Wir wollen einen Rechtsanspruch auf Ganztagsangebote in Schulen und Kitas durchsetzen. Das ist wichtig, um allen Kindern die Chance zu geben, ihre Talente zu entwickeln – und so auch zu höheren Abschlüssen zu kommen. Vollkommen irrsinnig ist das Betreuungsgeld, das die schwarz-gelbe Bundesregierung auf Druck der CSU einführen möchte: Warum sollte der Staat 100 oder 150 Euro pro Monat an Eltern zahlen, die ihr Kind dann nicht in eine Krippe oder Kita schicken? Die Auswertungen in Thüringen, wo es das Betreuungsgeld ja schon gibt, zeigen, dass gerade diejenigen Kinder, die es besonders nötig hätten, von ersten Bildungsangeboten – auch sprachlichen – ferngehalten werden. Wir dürfen den Schülerinnen und Schülern keine Steine in den Weg legen, sondern müssen die vorhandenen Hürden wegräumen. Davon profitieren nicht nur Kinder, deren Familien zugewandert sind, sondern auch Kinder aus Familien ohne Zuwanderungsgeschichte. Integration ist eben auch eine soziale Frage, das wird nirgends deutlicher als bei Kindern und Jugendlichen.

 

Die SPD rechnet mit rund 20 Milliarden Euro, die Deutschland mittelfristig zusätzlich in die Bildung stecken muss. Viel Geld, können wir uns das leisten?


In Bildung zu investieren ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Denn es geht hierbei nicht nur um die Chancen der jungen Generation, sondern auch um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Bildungsausgaben kann man nicht rein wirtschaftlich kalkulieren, da braucht man einen langen Atem. Und an anderer Stelle lässt sich Geld auch wieder einsparen. Denn die sozialen Folgekosten durch fehlende Chancen sind ja hoch. Zudem wird stets erwartet, dass für Sanktionsmaßnahmen Mittel zur Verfügung stehen. Wir wollen in Bildung investieren, weil wir uns sicher sind, dass wir nur so die Zahl derer senken können, die in Perspektivlosigkeit oder sogar Kriminalität abdriften. 

 

Deine Heimatstadt Hamburg betreibt unter Führung der SPD eine sehr offensive Einwanderungspolitik: An Bürgerinnen und Bürger, die die Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfüllen, werden Einladungsschreiben verschickt. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt wirft der SPD in Hamburg deshalb vor, sie „verramsche“ die deutsche Staatsbürgerschaft. Ist diese Sorge berechtigt? Oder ist das Modell einer einladenden Integrationspolitik vielleicht sogar auch auf andere Bundesländer übertragbar?


Diese Schreiben gehen von unserem Bürgermeister Olaf Scholz an Bürgerinnen und Bürger, die die Voraussetzungen für die Einbürgerung formal zu erfüllen scheinen, trotzdem aber bisher nicht die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt haben. Das hat mit „verramschen“ nun wirklich gar nichts zu tun. Viele Migrantinnen und Migranten fühlten sich bislang nicht wirklich willkommen und haben nur auf solch ein Entgegenkommen gewartet. Da ist eine einladende Integrationspolitik genau der richtige Weg. Es ist wichtig deutlich zu machen, dass wir ein großes Interesse haben, Menschen, die die Voraussetzungen erfüllen, auch einzubürgern. So können sie am politischen Gemeinwesen noch besser teilhaben. Ich muss mich schon wundern über Herrn Dobrindt, dessen Partei auf der einen Seite stets Integration fordert – am liebsten im Bierzelt -  selbst aber keinen Schritt nach vorn gehen möchte.

 

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